Sagen vom alten Schlosse von Blankenburg
Ein ehrbarer Bürger von Blankenburg ging eines Tages mit seiner Frau über Land und gibt in guter Laune der zurückgebliebenen Magd den Auftrag, eine gute Weinsuppe zu kochen, damit sie bei ihrer Rückkehr sich gütlich tun könnten. Die nicht recht kluge Dirne nimmt den Scherz für Ernst und fragt, wo sie den Wein dazu hernehmen solle. Der Hausherr weist hinauf auf die alte Burgtrümmer und sagt, dort liege ein ganzer Keller voll Weins.
Die Magd macht sich bald darauf auf den Weg, steigt den steilen Burgberg hinauf, tritt in die verfallenen Gemächer des alten Schlosses und findet bald eine Türe, die nach ihrer Meinung in den Keller führen muß. Der Schlüssel steckt an, sie dreht in um, schließt auf und kommt in ein Gewölbe, das ganz angefüllt mit Fässern ist. Am nächsten Fasse steckt ein Schlauch. Ohne sich weiter zu bedenken, dreht sie an dem Hahn, füllt sich die Kanne mit Wein und wundert sich nur, daß ihre Herrschaft sie heute zum ersten Male in das große Weinlager geschickt habe. Als sie fortgehen will, ruft ihr eine Stimme zu: "Nimm den Schlauch gleich mit!" Gut, denkt die Dirne und zieht den Schlauch aus dem Fasse und steckt ihn in die Tasche. Glücklich zu Hause wieder angelangt, kocht sie die bestellte Suppe, wirft aber den Schlauch, der ihr lästig wird, auf das Topfbrett. Sie deckt einstweilen auch den Tisch und als ihre Herrschaft zurückkommt, trägt sie die dampfende Suppe auf.
Darüber nicht wenig verwundert, fragt der Hausherr, als der die Suppe gekostet hat: "Wie bist du zu diesem Wein gekommen?" "Wo soll er her sein," antwortete die Magd in ihrer Einfalt, "als aus dem großen Weinkeller auf dem alten Schlosse. Ich habe ihn ja dort holen sollen." "Das mache andere Leuten weiß; alte Steine gibt es dort, aber weiter nichts." - "Wenn ihr mir nicht glauben wollt," entgegnete die Magd und läuft in die Küche, ihr Wahrzeichen holend, "so seht, ich habe ja den Schlauch vom Fasse mitgebracht." Sie betrachten den dargereichten Schlauch und trauen ihren Augen kaum, denn er war von purem Golde und wog drei Pfund.
Die Musikanten bei dem alten Schlosse Blankenburg
Musikanten aus Kleingölitz hatten in Blankenburg zum Tanze aufgespielt und gehen in der Nacht wieder nach Hause. Ihr Weg füht sie am alten Schlosse vorbei. Da macht der eine den Vorschlag, dem alten Grafen, der oben in der Burg umgeht, ein Ständchen zu bringen. Die anderen sind es wohl zufrieden und so spielen sie lustig und guter Dinge ein oder auch mehrere Stücklein. Als sie aber ihrers Weges weiter ziehen wollen, steht vor ihnen ein graues Männlein, dankt ihnen freundlichst für die schöne Nachtmusik und reicht jedem der Musikanten ein grünes Buchenreis. Zwei werfen unterwegs den Zweig lachend und verächtlich weg, der eine steckt ihn aber an seinen Hut und trägt ihn so nach Hause. Am anderen Morgen sieht er, daß der Zweig von dem reinsten Golde ist. Natürlich laufen seine Kameraden, als sie davon hören, sogleich den Weg zurück, ihre weggeworfenen Zweige zu suchen, aber keiner kann seinen wiederfinden.
Glückliche Einfalt
Mehrere Knaben schwärmten auf den Schloßhöfen des Greifensteins über Blankenburg spielend umher. Da entdeckten sie an einer Wand des Wallgrabens eine Höhle. Leicht beredeten sie einen ihrer Gefährten, einen halb blödsinnigen Knaben, hineinzukrieche und zu erkunden, was da drinnen verborgen liege. Er schlüpfte bedächtig hinein und blieb so lange aus, daß es seine Kameraden fast angst wurde. Endlich kam er wieder, ganz glücklich und seelenvergnügt, und erzählte stotternd und stammelnd von Haufen goldener Pfennige, von goldenen Leuchtern und lauter ähnlichen Kostbarkeiten. - "Hast Du denn nichts mitgenommen?" - "Nä, das wär' mir so! Geht doch selber nein, wenn ihr solches Zeug haben wollt!" Alle drangen nun unter Führung des Dummen in die Höhle, aber sie sahen nichts als Steinbrocken unf dem Boden, und Fledermäuse schwirrten ihnen entgegen. Auf den dummen Buben schimpfend, weil der die Gelegenheit nicht benutzte, verließen sie schließlich enttäuscht und auch furchtsam die Höhle wieder.
Die Kirschkerne
Als ein paar Blankenburger Knaben einst auf einem Kirschbaume saßen, der zwischen den Mauern des Greifensteins emportgewachsen war, und sich die saftigen Früchte wohlschmecken ließen, rief ihnen eine Stimme zu: "Verachtet das Beste nicht!" Aber sie hielten die Stimme für die eines Spaßvogels, ahmten den Ruf spottend nach und warfen sich im jugendlichen Übermute mit den Kernen. Als aber einer von ihnen abends seine Schuhe auszog, fielen mehrere goldene Kirschkerne heraus. Nun gingen alle Knaben wieder eilends auf die Ruine hinauf; doch die umher gestreuten Kerne waren verschwunden, und auch nicht eine einzige Kirsche hing noch am Baume.
Die grüne Frau
Als eines Sonnabends eine Bauersfrau von Kleingölitz dürres Gras und Laub auf dem Burghofe des Greifensteins sammelte, hörte sie unten in der Stadt die Glocken erklingen, die den Sonntag einläuteten. Die heraufzitternden Töne stimmten ihr frommes Gemüt zur Andach; sie legte den Rechen weg und sprach mit gefalteten Händen ein leises Gebet. Während sie noch voll Inbrunst betete, trat zu ihr eine Frau und winkte ihr zutraulich. Die Frau aber war grün gekleidet vom Kopf bis zu den Füßen. Das Bauersweib folgte ihr ohne Scheu. Sie kamen an ein eisernes Tor. Die grüne Frau öffnete dieses mit einem Schlüssel aus ihrem Schlüsselbunde, ebenso die nächste Tür und so wohl noch zwanzig Türen und Pforten. Sie letzte führte in einen großen Saal, wo alles von Gold glänzte. Hier blieb die grüne Frau stehen und lispelte der Bäuerin zu: "Nimm dir, soviel du willst; aber rühre das Geld nicht an binnen Jahresfrist, und schweige davon wie ein Grab gegen jedermann. Dadurch werde ich erlöst und muß nicht mehr unseliglich wandeln!" Die Bäuerin raffte ihre Schürze voll und gelangte mit ihrem Schatze glücklich wieder ins Freie. Daheim verschloß sie das Geld in einem Schrank, ein ganzes Jahr lang, und wenn ihr auch manchmal die Lust ankam, dernach zu sehen oder es ihrer Frau Gevatterin zu erzählen, so bezwang sie sich doch und blieb verschwiegen wie ein Grab. Dadurch wurde sie sehr reich, und niemand hat die grüne Frau seitdem wieder gesehen.
alle Sagen nach Rudolf Drechsel, Sagen und alte Geschichten aus dem Orlagau